Die Buckower Wallfahrtskirche: Bau - und Nutzungsgeschichte
1161, fünf Jahre nach dem Beginn der Mark Brandenburg, wurde das slawische Dorf
Buckow dem neu gegründeten Bistum Brandenburg zugeschrieben. 1344 wurde ein
Kirchenbau in Buckow erstmals urkundlich erwähnt. Dieser Bau diente vermutlich als
Pfarrkirche und wurde wahrscheinlich in der damals ortsüblichen Fachwerkbauweise
errichtet. Bereits zum Ende des 14. Jahrhunderts ersetzte ein Backsteingebäude die
erste Kirche. Es ist anzunehmen, dass der Domstift Brandenburg erstmals als Bauherr
agierte. Der alsbaldige Kirchenneubau lässt auf eine herausgehobene Stellung als
neuer Wallfahrtsort schließen. Dieser Bau existiert heute nicht mehr; einzig im Ost-
giebel der vorhandenen Kirche sind Wandteile davon erhalten geblieben. Zum Beginn
des 15. Jahrhundert baute das Bistum seine Wallfahrtsstätten konsequent aus.
Ein Dokument der Vatikanischen Bibliothek aus dem Jahre 1401 belegt allein sieben
Kirchen im Bistum Brandenburg - darunter Buckow, die in den Status einer Wallfahrts-
stätte erhoben wurden. Bis zur Einweihung im Jahre 1475 entstand in Buckow direkt
neben der alten Kirche ein repräsentativer Neubau, das noch vorhandene Gebäude.
Wallfahrten-Kontext
Die ersten zwei Jahrhunderte nach Gründung der Mark lesen sich wie eine Erfolgsge-
schichte: Christliche Siedler aus dem alten Reichsgebiet erschlossen sich mit neunen
landwirtschaftlichen Techniken weitere Siedlungsräume. Es kam zu zahlreichen Dorf-
und Stadtgründungen. Begünstigt von einem zwischenzeitlichen Warmklima wurden
gute Ernten eingefahren, die Bevölkerung wuchs ständig an. Zur Mitte des 14. Jahr-
hunderts kippte in ganz Europa die optimistische Grundstimmung. In Folge einer ra-
schen Klimaabkühlung fielen die Ernten spärlicher aus. Gleichzeitig kam es durch
übermäßigen Holzeinschlag allerorten zu einem deutlich spürbaren Mangel dieses
wichtigen Rohstoffes. Durch die spätmittelalterliche Agrarkrise verarmte die Landbe-
völkerung, die zudem von der Pest gebeutelt wurde.
Als letzte Region Mitteleuropas christianisiert, war die Tradition der Wallfahrten in
der Mark Brandenburg schwach ausgeprägt. Die Region galt als kulturell rückständig
und arm an Reliquien, wurde aber von der Pest weit weniger als die meisten der Re-
gionen im deutschen Reich in Mittleidenschaft gezogen. Das Bistum Brandenburg
verfügte einzig auf dem Brandenburger Marienberg über eine Marienwallfahrt, deren
Bedeutung im 14. Jahrhundert jedoch stark zurückging. Angesichts dieser Situation
ist es nachvollziehbar, dass die finanzschwachen Bistümer Nordostdeutschlands sich
rasch dem neuen Wallfahrtsboom zuwandten und konsequent ausbauten. Besonders
Wilsnack in der Prignitz entwickelte sich schnell zum wichtigsten Wallfahrtszentrum
Nordeuropas.
Einher ging diese Entwicklung mit der Stabilisierung in der Mark. Während Branden-
burg im 14. Jahrhundert zum Spielball europäischer Fürstentümer geriet, konsolidierte
sich mit dem Machtantritt der Hohenzollern ab dem Jahre 1415 die politische und wirt-
schaftliche Lage. Dies führte im 15. Jahrhundert zu einem bisher nicht gekannten
Umfang kirchlicher und weltlicher Bauprojekte.
Die Wallfahrt in Buckow
Seit Gründung des Bistums Brandenburg wurden - wie im Falle von Lehnin, Havelberg
oder dem Brandenburger Marienberg - bedeutende slawische Kultstätten oft christ-
lich besetzt und umgewidmet. Vielleicht übernahm Buckow dieses Muster, indem hier
auf eine slawische Kultstätte ein christliches Zentrum folgte.
Neben der historisch dokumentierten Wunderblutwallfahrt wird Buckow wiederholt
mit einem Wunderbrunnen in Verbindung gebracht. Weithin sichtbar erhob sich der
mächtige Turm in der weiten, offenen Landschaft des Havelländischen Luches. Nach-
träglich angedacht sollte er von Weitem die Pilgerströme zu sich lenken, unterstützt
von Fackeln, die während der Dunkelheit in den oberen Turmfenstern als Leuchtfeuer
dienten.
Mit einem vollen Wallfahrtsbetrieb ist nur in der kurzen Spanne zwischen der Einweih-
ung der großen Kirche im Jahre 1475 bis zur Reformation 1539 zu rechnen. In diesen
knapp 65 Jahren, sowie den davorliegenden 75 Jahren seit Beginn der Wallfahrt muss
es zu einer reichlichen Ausstattung mit Kirchenschätzen gekommen sein. Gleichwohl
war die Wallfahrt in Buckow immer nur von regionaler Bedeutung. Eine Anbindung an
überregionale Pilgerwege wie im Falle Wilsnacks gab es vermutlich nicht.
Geschichtlicher Hintergrund
- Anfänge -
Die historische Entwicklung eines Gebietes nahm immer sehr starken Bezug auf die
unmittelbare naturräumliche Situation. In Buckow stellte sie sich wie folgt dar: Bis ins
späte Mittelalter befand sich Buckow auf einer kleinen Insel. Die umgebende Wasser-
und Sumpflandschaft erstreckte sich weit Richtung Norden und verband sich mit den
ausgedehnten Flusslandschaften der Havel und Elbe.
Die in jener Zeit vorrückenden Gletscher der letzten Eiszeit gruben sich tief in die
Landschaft ein und kamen ziemlich genau in Höhe Buckows zum Erliegen. Die beim
Abschmelzen der riesigen Wassermassen entstandenen Urstromtäler drangen noch
tiefer in die Mark ein, sodass schließlich eine riesige, vom Wasser geprägte Landschaft
entstand, die von zahlreichen Inseln durchsetzt war.
Im Zuge der Völkerwanderung siedelten im Havelland ab dem 6. Jahrhundert die Sla-
wen. In den folgenden fünf Jahrhunderten bis zur deutschen Eroberung passten sie
sich an ein Leben in dieser Luch-Landschaft an; als slawische Siedlung entstand
Buckow am äußersten Südrand dieser Wasserlandschaft.
Deutsche Siedler erschlossen sich ab dem 12. Jahrhundert zunächst die höher gele-
genen Ackerstandorte und mieden die Luche. Erst die mit dem Wasser vertrauten Fla-
men, die im Zuge verheerender Sturmfluten an der Nordsee ihre Heimat verließen,
siedelten im größeren Umfang in den wasserreichen Niederungen. Möglicherweise
wurden die Slawen von deutschen Siedlern in die Luchgebiete zurückgedrängt, ähn-
lich wie im Spreewald noch heute zu erkennen ist.
Nach der Gründung des Bistums Brandenburg befand sich Buckow somit an einer
Schnittstelle zwischen dem nördlich gelegenen, womöglich slawisch geprägten Luch-
gebieten und dem südlich, Richtung Brandenburg sich erstreckenden christlichen
Bistum. Aus dieser Überlegung heraus lässt sich Buckow auch als nördlichster Vor-
posten und als Machtdemonstration des Bistums in einem kulturell noch anders ge-
prägten Umfeld deuten.
- Nachreformatorische Zeit und Glaubenskriege -
Dem steilen Aufstieg Buckows als Wallfahrtsort im späten Mittelalter folgte nach der
Reformation im Jahre 1539 der ebenso steile Abstieg: zunächst rückläufig, kam die
katholische Tradition der Wallfahrt vollkommen zum Erliegen. Ein Großteil der Kirchen-
schätze sowie die Glocken wurden dem Brandenburger Kirchenstift überstellt und in
einem Kirchenbuch detailliert beschrieben. Fortan fungierte das Gebäude als zu reich-
lich dimensionierte Pfarrkirche für die kleine Gemeinde.
Wie die gesamten Mark litt auch Buckow stark unter den Verwüstungen des Dreißig-
jährigen Krieges und reduzierte sich auf wenige bewohnte Höfe. Kaum fanden die lang
anhaltenden Kriegswirren ein Ende, fielen 1675 die Schweden kurz vor der Schlacht
von Fehrbellin in Buckow ein und zerstörten oder raubten die wenigen, noch vorhan-
denen Kostbarkeiten. In dem erst kürzlich wieder gefundenen Buckower Messbuch
aus dem beginnenden 16. Jahrhundert findet sich diesbezüglich ein hanschriftlicher
Eintrag des damaligen Pfarrers.
- Preußische Zeit -
Im Jahr 1679 brachte Buckow eine Sanierung unter der Regentschaft des großen Kur-
fürsten neue Dächer und barock aufgeweitete Fenstern. Ungefähr zu dieser Zeit wurde
unmittelbar vor dem Ostgiebel, wo sich ehemals die kleine Kirche befand, eine unterir-
dische Gruft angelegt. Sie wurde aus neuen Backsteinen erstellt und mit einem Ton-
nengewölbe versehen, wohl um einer hochgestellten Persönlichkeit oder Familie als
letzte Ruhestätte zu dienen.
Im neu entstandenen Königreich Preußen wurde Buckow zu Beginn des 18. Jahrhun-
derts in eine Inventur historisch bedeutsamer Bauten mit aufgenommen. In den weni-
gen Jahren von 1718-24 wurde das Havelländische Luch, ähnlich wie der Oderbruch,
im Rahmen der preußischen Binnenkolonisation entwässert und zu Wiesen und Acker-
land verwandelt. Spätestens zu dieser Zeit konnte Buckow über einen Knüppeldamm
von Süden her erreicht werden und war also keine Insel mehr. Um das Land wirt-
schaftlich zu entwickeln, betrieb Preußen gleichzeitig bis in das späte 18. Jahrhundert
eine konsequente Einwanderungspolitik "Peuplierung", in deren Zuge es wahrschein-
lich auch in Buckow zu Neuansiedlungen kam.
Durch die starke Erweiterung der landwirtschaftlichen Flächen sowie den Zugang zu
den Berliner Märkten infolge des Bahnanschlusses im Jahre 1870 kam es zu einer
wirtschaftlichen Blütezeit. Das heutige Dorfbild entstand nach einem Brand im späten
19. Jahrhundert, in dessen Folge das Dorf rasch wieder aufgebaut wurde. Die Kirche
selbst schien nicht in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein.
- 20. Jahrhundert -
1910 kam es zur Auflösung der kleinen Pfarrstelle und Buckow wurde dem Nachbarort
Garlitz zugeordnet. Die einzigen noch kurz vorher von Historikern beschriebenen mit-
telalterlichen Wertgegenstände wurden veräußert. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs
kam es wiederum zu Verwüstungen. In der anschließenden DDR-Zeit setzte die fort-
schreitende Aushöhlung des kirchlichen Lebens ein. Einzig aufgrund des ehrenamt-
lichen Engagements einiger weniger verbliebener Kirchenmitglieder erhielt die Kirche
von Buckow weiterhin eine ausreichende Pflege.
- 21. Jahrhundert -
In den Umwälzungen der Nachwendezeit erfolgte eine Neuordnung der Kirchenge-
meinden, und Buckow wurde Teil der 16 Dörfer umfassenden havelländischen Refor-
mationsgemeinde. Stellvertretend für ländliche Kirchengemeinden im Osten Deutsch-
lands untersuchte die Bauhausuniversität Weimar 2005 die 16 Kirchen, dokumentierte
ihren Zustand und stellte die Frage nach deren Zukunft. Der Buckower Kirche wurde
ein insgesamt guter baulicher Zustand attestiert. Doch blieb die Frage der Nutzung
angesichts einer fehlenden Gemeinde, leerer Kassen und einer insgesamt stark rück-
läufigen Bevölkerung im ländlichen Raum unbeantwortet. In letzter Konsequenz bot
die Kirche 2007 das Gebäude zum Verkauf an. Zeitgleich erklärte der damalige Vor-
sitzende der evangelischen Bischofskonferenz, Bischof Huber, den deutschen Osten
zum Missionsgebiet und sprach kirchlichen Zentren als "Leuchttürme" eine wichtige
Funktion zu. Zur Rettung und weiteren Nutzung der Buckower Wallfahrtskirche kon-
stituierte sich zwei Jahre darauf ein Förderverein und der Verkauf wurde abgewendet.
Seither wird die Kirche mit sakralen und kulturellen Aktivitäten neu belebt.
Ein sehr alter Leuchtturm in der Mark gewinnt wieder an Strahlkraft.